Entsetzt waren die Besucher*innen der Informations- und Diskussionsveranstaltung mit dem Thema: Kein Schlussstrich - Wie geht es weiter nach dem Prozess gegen die Mitglieder des rechtsterroristischen Netzwerkes „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ über die Hintergründe des Prozessverlaufes, auf die der Berliner Anwalt in seiner Rede einging. Die rechten Netzwerkstrukturen und die Verbindungen zwischen staatlichen Behörden und dem NSU wurden im Prozessverlauf trotz mehrere zusätzlichen Anträge zur Vertiefung der Recherchen und trotz Zeugenbefragungen viel zu wage beleuchtet oder gar abgelehnt. Insbesondere kritisch zu betrachten sind weiterhin die Verbindungen zwischen einzelnen Verfassungsschutzbehörden in den Ländern zum NSU. Obwohl nicht in allen Teilen des Prozesses explizite Beweise vorlägen, hätte man dennoch aufgrund der vielen Indizien und Tatbestände an vielen Punkten den Prozess weiterführen und vertiefen können. Dieses wurde zum Teil politisch auch nicht gewollt, so die Einschätzung des Berliner Anwaltes. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik in allen Facetten wurde somit nicht gewährleistet.
Eine ähnlich Einschätzung gab auch die Aktivistin der Initiative „Keupstrasse ist überall“ ab, die sich mit den weiteren Mitstreiter*innen vornehmlich die Opfer- und Betroffenenbegleitung, als auch das Tragen des Themas in die breite Öffentlichkeit seit mehr als 4 Jahren auf die Fahne schrieb.
Was die neuen Zielsetzungen der Initiative nach dem Prozess betreffen, so befänden sich die Initiator*innen und Aktivist*innen noch in internen Diskursen. Einst war jedoch für beide Gäste klar: Es müsse an der Schaffung eines breiten gesellschaftlichen Interesses weiter gearbeitet werden und dies mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen und nachhaltigen Projekten um dem institutionellen Rassismus in der Gesellschaft entschieden gegenzutreten, welches der NSU Komplex als Paradebeispiel dafür abbildet.
Hintergrund:
Von 2000 bis 2011 wurden 10 Menschen von Mitgliedern des NSU aus rassistischen Motiven umgebracht, über 30 bei Bombenanschlägen traumatisiert und verletzt. Anstatt ihnen beizustehen wurden die Opfer selbst bis zum Jahr 2011 bespitzelt, beschuldigt und kriminalisiert. Erst das Bekennervideo des angeblichen „Trios“ verschaffte den Betroffenen endlich Erleichterung: Es war keiner von Ihnen. Bis dahin wurden sie von Behörden, Medien und der Zivilgesellschaft als Schuldige gebrandmarkt.