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Donnerstag, 29 März 2018 08:46

Newroz - ein Symbol für den Widerstand und für die Sehnsucht nach Freiheit und Frieden

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Ausschnitte der Eröffnungsrede vom diesjährigen Newroz Fest der Kurdischen Gemeinschaft Rhein-Sieg/Bonn e.V.

"......Gerne möchten wir den anwesenden Politikerinnen und Politikern und alle anderen Gästen gerne noch mal kurz schildern, welche Bedeutung NEWROZ für uns hat.

Das Newroz-Fest im Rhein Sieg-Kreis ist mittlerweile zur festen Tradition geworden. Es ist auch Tradition im Rahmen der Eröffnungsrede auf die aktuelle Lage in allen Teilen Kurdistans aufmerksam zu machen. Denn seit dem ich denken kann hat Newroz vor allem eine politische Dimension für die Kurdinnen und Kurden. Denn, so traurig es auch ist, war es immer notwendig, Jahr für Jahr auf Ungerechtigkeiten, Menschenrechtsverletzungen oder brutale Kriege hinzuweisen.

Es gab also kein Newroz, wo wir hätten nur ausgelassen feiern können, denn in irgendeinem Teil Kurdistans haben immer Menschen unter Repressionen, Staatsgewalt oder Kriegen gelitten. Dennoch haben wir dieses Jahr lange überlegt, ob wir tatsächlich zu diesem Newroz einladen möchten.

Uns haben Menschen angesprochen, ob gerade jetzt das Newroz-Fest angemessen sei. Und ja es fällt uns schwer…… Denn die zeitliche Nähe von Newroz zu dem Krieg in Afrin, der Vertreibung und der Not überschattet dieses Newroz. Aber alldenjenigen, die unsere heutige Zusammenkunft vielleicht sogar kritisieren, möchte wir sagen, dass das kurdische Newroz, das die Kurdinnen und Kurden auf der ganzen Welt am 21. März feiern, all jenen eine Stimme geben, die nicht gehört werden. Denn mit Newroz beginnt für das kurdische Volk ein neues Jahr, der Frühling und wörtlich übersetzt ein neuer Tag. Daher hat Newroz für uns eine ganz besondere Bedeutung. Es ist seit je her in der kurdischen Geschichte ein Symbol für den Widerstand und für die Sehnsucht nach Freiheit und Frieden. Und jedes Jahr nutzen wir diesen Anlass und möchten die Menschen für die Belange des kurdischen Volkes sensibilisieren, wir wollen Bewusstsein schaffen, wir schöpfen aber auch Hoffnung und Zuversicht an diesem Tag.

Es ist ein Tag, an dem wir uns auf die wesentlichen Dinge Besinnen möchten. Wir möchten die Grundrechte eines jeden Menschen in Erinnerung rufen, wir möchten für Menschlichkeit und Frieden einstehen.

Genau aus diesem Grund haben wir uns letztlich doch entschlossen, auch dieses Jahr gemeinsam zu Beschreiten und das, obwohl das türkische Militär am 20. Januar diesen Jahres, vor ziemlich genau 2 Monaten, einen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung in Afrin – in den kurdischen Gebieten Nordsyriens, begonnen hat. Dieser Krieg unter Erdogan ist völkerrechtswidrig. Es ist ein Angriffskrieg der Türkei gegen die kurdische Zivilbevölkerung. Das heißt, die türkische Regierung und ihr Militär haben das wichtigste überstaatliche Einkommen – das sogenannte Völkerrecht der Vereinten Nationen, dass jedem Staat verbietet, einen Angriffskrieg zu beginnen, ohne Skrupel gebrochen.

Das türkische Militär hat gemeinsam mit jihadistischen Einheiten, darunter auch zahlreiche IS Anhänger, eine Region angegriffen, die sicher war und die in keinsterweise die Türkei bedroht oder geschweige denn angegriffen hatte. Das die türkische Regierung den Krieg mit „Selbstverteidigung“ legitimiert, ist daher unrechtmäßig und absurd. Die türkische Regierung handelt rein aus geopolitischem Kalkül und Eigeninteresse. Mit ihrer Armee hat die Türkei knapp 2 Monate die Stadt Afrin unter ständigen Beschuss genommen, unzählige Dörfer zerstört und zahlreiche unschuldige Zivilisten getötet.

Und jetzt am Wochenende kam die schreckliche Nachricht, dass die Stadt Afrin gefallen ist. Die Nachricht hat nicht nur uns Deutsch-Kurdinnen und Kurden zutiefst erschüttert und gelähmt - sondern auch die Menschen, die sich für Menschrechte, Frieden und Demokratie einsetzen.  

Die Kurdinnen und Kurden auf der ganzen Welt fühlen sich in diesem Moment benutzt, verraten und im Stich gelassen. Denn spätestens im Kampf gegen den IS haben die kurdischen Truppen wieder einmal bewiesen, dass sie verlässliche Partner des Westens sind. Denn es waren kurdische Peschmerga und Milizen, die als Bodentruppe mit Unterstützung anderer westlicher Staaten den IS am effektivsten verdrängt und bekämpft haben. Es waren kurdische Peschmerga und Milizen, die im Kampf gefallen sind. Doch anstatt das die deutsche Bundesregierung und die internationale Staatengemeinschaft diesen Menschen zur Seite steht, haben sie den Einmarsch der türkischen Armee stillschweigend hingenommen. Erschwerend kommt hinzu, dass unsere Bundesregierung unter Außenminister Gabriel deutsche Rüstungsexporte im Wert von 4,4 Millionen Euro allein seit Beginn der Invasion genehmigt haben. Und erst am Mittwoch hat sich die Bundeskanzlerin das erste Mal zu Afrin geäußert, viel zu spät hat sie diesen Krieg als inakzeptabel bezeichnet.

Den Preis dafür zahlen nun die unschuldigen Zivilisten, die zu Hunderttausenden auf der Flucht sind und teilweise sogar vor Ort verharren. Die Untätigkeit der deutschen Bundesregierung, der EU, der UN - ja der gesamten internationalen Staatengemeinschaft muss enden und erfordert Sanktionen gegenüber der Türkei.

Die Vertreterinnen und Vertreter des Deutschen Bundestags bitten wir, die Bundesfraktionen ihrer Parteien, dahingehend zu sensibilisieren Schritte einzuleiten, damit dieser völkerrechtswidrige Krieg beendet wird. Wir bitten Sie inständig, in Ihrer Funktion als unsere Bundestagsabgeordnete, mit ihren parlamentarischen Möglichkeiten, gegen diese Ungerechtigkeiten vorzugehen. Setzten sie sich ein:

  • für einen Stopp der deutschen Rüstungsexporte an die Türkei.
  • für die Beendigung der Enteignungen und der Vertreibung der kurdischen Bevölkerung durch einen Nato-Mitglied.
  • für die sofortige Beendigung des Krieges!

Es ist ein Appell an die Menschlichkeit! Setzten Sie ein Zeichen!

Gerne möchten wir nun anlässlich der aktuellen Lage in Afrin gemeinsam mit Ihnen mit einer Gedenkminute der Menschen im Krieg gedenken.

Wir gedenken aller Kurdinnen und Kurden,

Wir gedenken aller Kinder, Mütter und Väter,

Wir gedenken aller unschuldigen Menschen,

die diesem Krieg zum Opfer gefallen sind."

Gelesen 2714 mal Letzte Änderung am Montag, 23 April 2018 09:57
Jinda Ataman

Soziale Beratung für Flüchtlinge